Narges Mohammadi: Iranische Menschenrechtsaktivistin weiterhin in Haft

Narges MohammadiHintergrund

Menschenrechtlerin, Feministin und Gründungsmitglied der Anti-Todesstrafe-Organisation „Legam“ – für das iranische Regime gibt es genug Gründe, Narges Mohammadi seit 2009 immer wieder zu inhaftieren, seit 2015 sitzt sie ununterbrochen in Haft.

Die Physikerin und Journalistin Narges Mohammadi (geboren 1972) war unter anderem Vizepräsidentin des Zentrums für Menschenrechte, das von der Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi gegründet wurde, und wurde Jahr 2009 zum ersten Mal verhaftet wurde. Der Vorwurf lautete unter anderem „Mitgliedschaft im Zentrum für Menschenrechtsverteidiger“. Internationale Forderungen nach Freilassung blieben erfolglos: 11 Jahre Haft lautete das Urteil. Nach einem Berufungsverfahren reduzierte sich die Strafe auf sechs Jahre.

Durch anhaltende psychische und physische Misshandlungen erkrankte Mohammadi schwer, sodass sie 2013 gegen eine hohe Kaution aus dem Gefängnis entlassen wurde, um sich medizinisch behandeln zu lassen. Während dieser Phase der Freiheit äußerte sich Mohammadi weiterhin für Gleichberechtigung und traf sich unter anderem mit der damaligen hohen Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik Catherine Ashton, weshalb sie noch vor Abschluss der ärztlichen Behandlung trotz internationaler Proteste im Mai 2015 erneut verhaftet wurde. Das Urteil lautete ein Jahr später 16 Jahre Haft, unter anderem wegen „Propaganda gegen den Staat“. Davon muss sie mindestens zehn Jahre verbüßen. In das Verfahren hatte sich mutmaßlich auch der iranische Geheimdienst eingemischt, weshalb an der Unabhängigkeit des Urteils gezweifelt wird. Mohammadi verfasste deswegen 2018 einen offenen Brief an Justizchef Larijani, in dem sie die Unterwürfigkeit gegenüber der Staatsführung kritisierte.

Die Haft muss die zweifache Mutter im berüchtigten Evin-Gefängnis im Nordwesten Teherans absitzen. Demütigung, sexuelle Gewalt und Folter gehören dort Augenzeugenberichten zufolge zum Alltag, zudem ist das Gefängnis dauerhaft überbelegt. Es gibt keine medizinische Versorgung, ihr gesundheitlicher Zustand ist weiterhin kritisch – auch dadurch, dass sie keinen Kontakt zu ihren Kindern (beide 2006 geboren) und ihrem Mann haben darf. Die drei leben im politischen Exil in Frankreich, sie haben das letzte Mal im Jahr 2015 telefoniert.

2019 trat Mohammadi zweimal in einen mehrtätigen Hungerstreik: Im Januar wollte sie eine bessere medizinische Versorgung erwirken, im Dezember streikte sie zum Gedenken an Hunderte Menschen, die den gewaltsamen Reaktionen der Islamischen Republik nach den Protesten im November zum Opfer gefallen waren. Andere weibliche Gefangene schlossen sich Mohammadi an.

2011 erhielt Mohammadi den Per-Anger-Preis der schwedischen Regierung, 2016 den Menschenrechtspreis der Stadt Weimar. Diesen nahm ihr Mann für sie entgegen und zitierte bei der Preisverleihung aus einem Brief Mohammadis: „Lieber eine von Familie, Arbeit und Freiheit suspendierte Feministin, als eine unterworfene und unterdrückte Frau mit Scheinfreiheiten.“

 

Zum Weiterlesen:

Falldarstellung: https://amnesty-iran.de/wp-content/uploads/186/NargesMOHAMMADI-Falldarstellung_02-2018.pdf

Weiterführende Informationen: https://amnesty-iran.de/wp-content/uploads/186/NargesMOHAMMADI-Information_03-2019.pdf

Infoblatt: https://amnesty-iran.de/wp-content/uploads/186/INFOBLATT_Narges_Mohammadi_2020.pdf

Petition: https://amnesty-iran.de/wp-content/uploads/186/Petition_Narges_MOHAMMADI_bis_06-2020.pdf

Urgent Action: https://www.amnesty.de/mitmachen/urgent-action/menschenrechtlerin-misshandelt

Appellbrief: https://amnesty-iran.de/wp-content/uploads/186/APPELLBRIEF_Narges_Mohammadi_bis_26-03-2020-1.pdf